Akute Ernährungsunsicherheit in Zentralafrika
Vom Pilotprojekt in der Zentralafrikanischen Republik profitieren über 34.000 Menschen
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Die Zentralafrikanische Republik ist eines der ärmsten Länder der Welt, das dringend auf humanitäre Hilfe angewiesen ist. Das hohe Maß an Konflikten hat zu einer anhaltenden Notsituation und Ernährungsunsicherheit geführt. Da in der Zentralafrikanische Republik ein Mangel an humanitären Akteuren besteht, hat ForAfrika 2023 seine Entwicklungsarbeit mit einem ersten Pilotprojekt in das zentralafrikanische Land ausgeweitet.
„Ich lebe in der täglichen Verzweiflung, dass ich meine gesamte Ernte verliere.”
Ursachen für die Ernährungsunsicherheit
Seit vielen Jahren leidet die Zentralafrikanische Republik (ZAR) unter Bürgerkrieg. Das hohe Maß an Konflikten hat zu einer anhaltenden Notsituation im Bereich der Ernährungssicherheit geführt. ForAfrika hat 2023 seine Entwicklungsarbeit mit einem ersten Pilotprojekt “Nothilfe zur Ernährungssicherheit” in das zentralafrikanische Land ausgeweitet.
Zu den entscheidenden Ursachen für die Ernährungsunsicherheit in den Haushalten des Landes zählen die steigenden Preise für Grundnahrungsmittel und importierte Lebensmittel, anhaltende Konflikte und die Vertreibung von Menschen aus ihren Heimatregionen. Diese Herausforderungen erschweren den Zugang zu landwirtschaftlichen Ressourcen und Märkten erheblich. Gleichzeitig führen Überschwemmungen in abgelegenen Gebieten zu schlechten Straßenverhältnissen und mindern die landwirtschaftliche Produktion im ganzen Land.
Die akute Ernährungsunsicherheit in den Regionen der ZAR
Überlebenskampf in landwirtschaftlichen Gruppen
Die Zentralafrikanische Republik verfügt über ein enormes landwirtschaftliches Potenzial, das jedoch durch jahrelange Unsicherheit und unzureichende politische Maßnahmen weitgehend brachliegt. Auf Dorfebene sehen sich die Ärmsten der Armen gezwungen, sich in kleinen landwirtschaftlichen Gruppen zusammenzuschließen, um den extremen Bedingungen standzuhalten. Diese Gruppen bestehen aus Einzelpersonen, die sich gegenseitig unterstützen, um gemeinsam zu überleben. Mit einfachen Mitteln und viel Handarbeit produzieren sie Nahrung in begrenztem Umfang und kämpfen dabei Tag für Tag gegen Schädlinge und Unkraut, ohne die nötigen Ressourcen für den Einsatz von Maschinen. Sie sind von den Mechanismen ausgeschlossen, die es Landwirten in anderen Entwicklungsländern ermöglichen, ihre Ernten erfolgreich und wettbewerbsfähig zu gestalten.
Landwirte in Kemo kämpfen gegen Ernährungsunsicherheit
ForAfrika hat seine Arbeit in der Präfektur Kemo im Süden des Landes aufgenommen. Ziel des ersten Projekts war es, die Ernährungsunsicherheit zu bekämpfen und die am stärksten gefährdeten Menschen zu unterstützen. Dies sollte insbesondere durch die Steigerung der Produktionskapazität der örtlichen Landwirte erfolgen.
In der Projektvorbereitung und bei Abstimmung mit den Leitern von 23 lokalen Bauernverbänden – jeder Verband besteht aus 18 bis 25 Bauern/Familien – waren wir sehr beeindruckt von deren Organisation. Sie engagieren sich aktiv für ihre eigene Lösung und waren daher vor Ort der ideale Projektpartner. In den Gesprächen mit den einzelnen Verbänden konnten vier Gruppen von Problemen und Bedürfnissen definiert werden:
- Krankheiten und Seuchen dezimieren die Produktion. Die Landwirte verlieren 50 % ihres Viehs und ihrer Ernten.
- Fehlende Pflugkapazitäten; die meisten Bauern pflügen von Hand. Alle äußerten den Bedarf an mechanisiertem Pflügen.
- Ausbildung: Die Bauern äußerten den Bedarf an besseren Kenntnissen über die Auswahl von Kulturpflanzen, die Wahl der Sorte, Anbautechniken und den Umgang mit Schädlingen.
- Mangel an Marktinformationen und Transportmöglichkeiten beeinträchtigen die Produktion, führen zu verdorbenen Waren und niedrigen Preisen. Dies wurde auch bei Gesprächen mit der örtlichen Regierung und dem Landwirtschaftsministerium bestätigt.
Erste Maßnahmen gegen Ernährungsunsicherheit: Viehversorgung und Feldbewirtschaftung
Unsere erste Maßnahme zur Bekämpfung der Ernährungsunsicherheit bestand aus der tierärztlichen Behandlung von durch Tropenkrankheiten geschädigtem Vieh. Außerdem wurden Nutzpflanzen zur Bekämpfung von Schädlingsbefall besprüht. Die Rückmeldungen der lokalen Gemeinschaften und der lokalen Behörden waren überwältigend positiv. Vor dem Einsatz von ForAfrika wurde der Viehbestand häufig halbiert. Beide Maßnahmen sorgten dafür, dass umgehend mehr Lebensmittel zur Verfügung standen.
Zur besseren Bewirtschaftung der Felder wurden zwei Ochsen und Pflüge angeschafft. Der Großteil der Bodenbearbeitung erfolgt meist von Hand – die besser ausgerüsteten landwirtschaftlichen Verbände verwenden einscharige Ochsenpflüge, die sich als sehr wirkungsvoll erweisen. Ein Ochsenpflug kann beispielsweise neu gerodete Felder mit Baumstümpfen befahren, die von Traktoren nicht befahren werden können. Entscheidend für den Einsatz von Ochsenpflügen sind gute Besitzverhältnisse und die Pflege des Viehs. Der Tierarzt von ForAfrika spielt hier eine wichtige Rolle.
Ochsen, die beim Pflügen zum Einsatz kommen.
Ein neu gerodetem Feld, auf dem Baumstümpfe noch gut sichtbar sind.
Toussaint erhält Zugang zu tierärztlicher Versorgung sowie Schulungen
Toussaint lebt mit seiner Frau und seiner Familie in der Präfektur Kemo. Als Ziegen- und Schafzüchter lebt die Familie vom Verkauf ihres Viehs und der Nebenprodukte, die bei der Tierhaltung anfallen.
Da die Familie kein eigenes Weideland besitzt und es sich nicht leisten kann, ein geeignetes Gehege für ihr Vieh zu errichten, verliert Toussaints Familie häufig Vieh durch Verletzungen bei Autounfällen oder durch Infektionen. Toussaint berichtete auch, wie sie Ziegen oder Schafe verloren haben, als sie diese zum Weiden oder zu Wasserquellen trieben. Toussaint sagte: „Ich bin stolz auf mein Vieh, deshalb sorge ich immer dafür, dass es geweidet hat und Wasser bekommt, aber dafür müssen wir oft weit gehen und manchmal Straßen überqueren.“
Als Toussaint der von ForAfrika unterstützten Bauerngruppe beitrat, war er überrascht zu erfahren, dass die Gruppe Zugang zu routinemäßiger tierärztlicher Versorgung hat. Der Tierarzt von ForAfrika behandelte Anfang diesen Jahres einige von Toussaints verletzten und infizierten Rindern. Während dieser Behandlung rieten wir ihm auch, seine Rinder durch den Bau eines Geheges zu schützen.
Seit er das Gehege errichtet hat, hat Toussaint weniger Infektionen oder Verletzungen bei seinem Vieh festgestellt. Toussaint äußerte sich stellvertretend für seine Bauerngruppe: „Ich bin froh über das, was ForAfrika für uns getan hat, denn wir haben gute Zuchtmethoden und eine grundlegende tierärztliche Versorgung gelernt, so dass wir nicht hilflos sind, wenn unsere Tiere krank werden oder sich verletzen. Vielen Dank, bitte unterstützen Sie uns weiterhin.“
Stéphane erhält landwirtschaftliche Schulung über Pestizide
Die Geschichte von Stéphane ist eine weitere aus unserem Pilotprojekt. Er lebt in einem Dorf in der Präfektur Kemo und ernährt sich und seine Familie durch Subsistenzlandwirtschaft. Auf einem eineinhalb Hektar großen Grundstück (15.000 m2) baut er vor allem Sesam und Kürbis an, hat aber durch Schädlinge und Nagetiere viel verloren. Er und seine Familie litt an Ernährungsunsicherheit, denn er konnte weniger ernten als er für die Versorgung seiner Familie braucht.
In einem Interview mit unserem Projektteam drückte Stéphane seine Besorgnis über diese Verluste aus und sagte: „Ich lebe in der täglichen Verzweiflung, dass ich meine gesamte Ernte verliere, bevor ich sie überhaupt ernten kann. Bevor ich mich der Bauerngruppe anschloss, hatte ich keine Möglichkeit, die Ratten und Raupen davon abzuhalten, meine Ernte zu zerstören.“
Als Mitglied seiner Bauerngruppe wurde Stéphane zu unserer Schulung über den sicheren Einsatz von Pestiziden eingeladen. Hier statteten wir einige Mitglieder der Gruppe mit Pestizid-Sprühkits aus, die sie zur Unterstützung anderer Bauern in ihren Gruppen einsetzten.
Nachdem sie drei Wochen lang das Sesamfeld besprüht hatten, sagte Stéphane: „Ich bin beruhigt, weil ich jetzt sehe, wie meine Sesampflanzen unaufhaltsam wachsen und ich hoffe, dass ich dank ForAfrika eine gute Ernte einfahren kann“.
Projektfazit und Ausblick
Mit diesen ersten Maßnahmen gegen die Ernährungsunsicherheit in Kemo, im Süden der Zentralafrikanischen Republik, konnte die Ernährungssicherheit von über 34.000 Personen verbessert werden. Außerdem stieg die Zahl der teilnehmenden Bauernverbände von anfangs 23 auf 125.
Aufgrund der positiven Entwicklungen, die durch das Pilotprojekt erreicht werden konnten, bereitet ForAfrika derzeit die Ausweitung der Maßnahmen auf benachbarte Präfekturen vor.
Leseempfehlung: Auf unserer Seite „Programm Ernährung“ erfahren Sie mehr über den Kampf gegen Ernährungsunsicherheit und den landwirtschaftliche Projekten in unseren afrikanischen Projektländern.
Ein neu gerodetem Feld, auf dem Baumstümpfe noch gut sichtbar sind.